Gesetzestexte müssen nicht kompliziert und unverständlich sein. Sie könnten leichter verständlich sein. Und der Gesellschaft zuliebe sollten sie es auch.
Diese erfreuliche Botschaft packte meine Aufmerksamkeit in einem Artikel im LTO (23.07.2022), der über ein Projekt des Sprachwissenschaftlers Professor Friedemann Vogel (Universität Siegen) berichtete.
Nicht nur müssen Gesetzestexte nicht kompliziert und unverständlich sein, es besteht meiner Meinung nach zudem ein gesellschaftliches Gebot, dass sie verständlich sein sollten. (Ich erweitere hier den Begriff, damit er die Verwaltungssprache (Stichwort: “Amtsdeutsch”) im Allgemein mit einschließt, da diese ebenfalls stark unter dem Einfluss der Rechtssprache steht.)
Es gibt starke soziale Argumente, warum Gesetzestexte und die Verwaltungssprache verständlich sein müssen. Wie wir jedoch leider öfters erfahren, fällt es dem Durchschnittsbürger nicht immer leicht, amtliche Mitteilungen nachzuvollziehen.
Kompliziertheit als kommunikatives Problem
Ich halte dies grundsätzlich für ein Problem der Kommunikation, und zwar der zwischen dem Staat und den BürgerInnen. Sie ist teilweise mangelhaft, was große gesellschaftliche Folgen mit sich bringt.
Professor Vogel weist darauf hin, dass Unverständlichkeit bei Gesetzestexten zu zweierlei Problemen führt.
Erstens verstehen die Bürger nicht recht, wie sie sich zu verhalten haben: “BürgerInnen müssen verstehen können, was Recht und Unrecht ist”. Dies sei rechtsstaatlich geboten. Denn, will der Staat dem Rechtssubjekt Gebote und Verbote aufgeben, soll dies auch auf eine verständliche Weise erfolgen, damit dem Bürger auch klar ist, was von ihm oder ihr auch erwartet wird. Soll der Rechtsstaat funktionieren, müssen die hoheitlichen “Anweisungen” klar sein.
Zweitens “entstehen durch nur schwer verständliche Vorschriften teils erhebliche Mehrkosten für die Gesellschaft”. Wiederholte Behördengänge, Fehler beim Ausfüllen von Formularen, falsch gestellte Anträge, Tage von der Arbeit und Rechtsberatung gehören viel zu oft zum Alltag, weil nicht bürgerfreundlich kommuniziert wurde.
Durch diese inadäquate Kommunikation entsteht eine gesellschaftliche Belastung, die wir alle mal wieder zu spüren bekommen. Wie viel kostet sie jedes Jahr pro Kopf in Zeit, Geld und Energie?
Das Problem von Fachsprache als Kommunikationsmittel für die BürgerInnen
Das Problem ist allerdings nicht die juristische Fachsprache an sich. Ich argumentiere hier nicht für irgendeine Art rechtssprachliche Vereinfachung.
Das Problem besteht vielmehr darin, dass der Staat sich in seiner Kommunikation mit den Bürgern einer Fachsprache bedient. Und wie bei jeder Fachsprache, wer in dem Fach nicht ausgebildet ist, versteht sie nicht gut. Die spezielle Sprache der Juristen – eine für Experten entwickelte Fachsprache – wird insbesondere in der Behördenkorrespondenz direkt, unangepasst und flächendeckend für die Verständigung mit der breiten Bevölkerung eingesetzt. So entsteht eine kommunikative Schieflage – und der Bürger kommt zu kurz.
Konkret heißt das, dass amtliche Mitteilungen teils Formulierungen der zugrundeliegenden Gesetzestexte direkt wiedergeben – Texte, die für den juristischen Gebrauch entworfen worden sind. Es dürfte also niemanden wundern, wenn sie den juristisch nicht Ausgebildeten (also fast jedermann) Schwierigkeiten bereiten.
Die staatliche Kommunikationsweise bedarf einer gründlichen Überholung. Insbesondere fehlt eine sprachliche Zwischenstufe zwischen Behörde und Bürger. Die Techniken des verständlichen Schreibens sind gut bekannt und warten nur noch auf ihre Anwendung.
Gelungene Kommunikation fängt nämlich damit an, dass man über den eigentlichen Adressaten nachdenkt und seine Sprache entsprechend anpasst.